R. Flückiger-Seiler: Berghotels zwischen Alpweide und Gipfelkreuz

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Titel
Berghotels zwischen Alpweide und Gipfelkreuz. Alpiner Tourismus und Hotelbau 1830 – 1920


Autor(en)
Roland, Flückiger-Seiler
Erschienen
Baden 2015: hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte
Anzahl Seiten
264 S.
von
Barbara Seidel

Warum wurden die vormals unzugänglichen Alpen im 19. Jahrhundert zu begehrten Reisezielen? Wer hat wann und warum erstmals Hotels mit Sternen klassifiziert? Wie kam Thomas Cook, ein baptistischer Abstinenzler aus England, dazu, Gruppenreisen durch die Schweizer Alpen zu organisieren? Wie sahen die ersten SAC-Hütten aus und wo stand die erste Bergbahn? Diese und andere, heute selbstverständliche Tourismus phänomene erklärt Roland Flückiger-Seiler im dritten und letzten Band seiner Reihe zum Schweizer Tourismus und Hotelbau. Wie die Vorgängerbände ist das reich bebilderte grossformatige Übersichtswerk im Badener Verlag Hier + Jetzt erschienen.

Flückiger, promovierter Architekt ETH, renommierter Architekturhistoriker, langjähriger Mitarbeiter der Stadtberner und der kantonalen Denkmalpflege und Initiator des ICOMOS-Preises «Historisches Hotel des Jahres», legte 2001 mit Hotelträume zwischen Gletschern und Palmen den ersten Band seiner systematischen Darstellung zur Entwicklung des Schweizer Hotelbaus bis 1920 vor. 2003 erschien der zweite Band Hotelpaläste zwischen Traum und Wirklichkeit. Mit dem 2015 publizierten dritten Band, in dem es um die touristische Erschliessung der Schweizer Bergwelt geht, wird die Reihe abgeschlossen und abgerundet. Beruhte der Inhalt der ersten beiden Bände zu einem Grossteil auf den Forschungsergebnissen Flückigers von 1995 bis 1998 aus dem Nationalfondsprojekt «Schweizer Hotelbauten 1830 – 1920. Architektur, Bautyp, Umgebung » zu Hotels an Schweizer Seen, so stehen in diesem Band die Berghotels im Vordergrund. Deren Faszination war Flückiger, wie wir im Vorwort erfahren, schon als junger Student erlegen.

Dass er auch bei diesem Thema aus dem Vollen schöpfen kann, ist ein grosses Plus dieses Werkes. Wie in den Vorläuferbänden geht es nicht einfach nur um die denkmalpflegerisch korrekte Inventarisierung möglichst vieler Bauten, sondern um die kulturhistorische Einbettung dieser Bauform in das damals aufkommende Phänomen Alpentourismus. Flückiger breitet sein reichhaltiges Quellenmaterial wohlstrukturiert aus. Er verwertete neben zeitgenössischen Reiseführern, Zeitschriftenartikeln und Büchern auch Berichte von Zeitzeugen, konsultierte einschlägige Literatur, Lexika, Karteien und Inventare und trug eine Fülle von bildlichen Quellen zusammen. Besonders hervorzuheben ist, dass Text- und Bildteil einander auf das Schönste ergänzen. Dies gelingt, weil der Text nicht nachträglich mit ein paar Bildchen «aufgehübscht» wurde. Vielmehr funktioniert der Bildteil mit den sehr informativen Bildunterschriften eigenständig und verschafft dem Leser eine Erkenntnisebene, die er beliebig über die Lektüre des Textes vertiefen kann. Das Orts- und Personenregister erleichtert das schnelle Auffinden von Lokalitäten oder Protagonisten.

In den ersten fünf Kapiteln führt uns Flückiger in die Thematik ein. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf Bekanntes, wie die «Invasion» der Alpen durch die bergsteigenden Engländer im 19. Jahrhundert als Anfang des Alpentourismus oder die Hospize und Gasthöfe als Vorläufer der Berghotels, sondern er widmet auch ein Kapitel dem Beruf des Bergführers, ein anderes Kapitel der – zum Teil armen – einheimischen Bevölkerung, die sich zunächst an die Rolle als Gastgeber gewöhnen musste. Leserfreundlich sind dabei die auch im Inhaltsverzeichnis farblich abgehobenen Kurzexkurse, die auf ein oder zwei Seiten wichtige Unterthemen abhandeln, etwa zu Thomas Cook oder den SAC-Hütten. Ein weiteres Kapitel handelt von den Bergbahnen, die den Massentourismus in den Bergen erst möglich machten. Durchgehend vermag es Flückiger mit den gut gewählten, Zeitkolorit evozierenden Zitaten und seinem flüssigen Stil, die Entwicklung des Alpentourismus dem Leser leicht verständlich zu vermitteln.

In den letzten vier Kapiteln geht es um die Berghotels der Regionen Innerschweiz, Berner Oberland, Wallis und am Aletschgletscher. Hier – und das ist der eigentliche Kern des Buches – erfahren wir die Hotelgeschichte der ausgewählten Standorte. Der Denkmalpfleger Flückiger präsentiert die Dokumentation aller Gebäude eines Standortes, die sich gelegentlich etwas trocken liest. Doch für Fachleute ist dieser vorbildlich recherchierte Teil eine unschätzbare Quelle. Architekturhistoriker werden die Abbildung von Plänen der realisierten Gebäude vermissen. Doch vermutlich ist die Publikation nicht ausschliesslich für ein Fachpublikum bestimmt. Daher lockern diesen Teil eingestreute Porträts von «Hotelkönigen» auf, die schon damals mit Luxus und Exklusivität zahlende Kundschaft in die Berge lockten.

Insgesamt ist dieser Band eine gute Mischung aus Architekturgeschichte und deren gelungener kulturhistorischer Einbettung. Die Publikation erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zu gross ist die Fülle des Materials, aus dem eine – nicht immer ganz nachvollziehbare – Auswahl getroffen werden musste. Dennoch stellt der Band einen idealen Einstieg in das Thema Alpentourismus mit Schwerpunkt Hotelarchitektur dar.

Zitierweise:
Barbara Seidel: Rezension zu: Flückiger-Seiler, Roland: Berghotels zwischen Alpweide und Gipfelkreuz. Alpiner Tourismus und Hotelbau 1830 – 1920. Baden: Hier + Jetzt 2015. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 2, 2018, S. 138-140.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 2, 2018, S. 138-140.

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